Mein Weg zum Segelfluglehrer – Teil 3: Theorielehrgang

Zum ersten und zweiten Teil meines Blog:
„Teil 1: Des Pudels Kern (Die Entscheidung)”,
„Teil 2: Vorausbildung im Verein und Vorauswahlprüfungen”

Tag 1: Donnerstag, 4. Juni, 5:45 Uhr, mein Wecker lärmt los. Und das auch noch am Feiertag. Als Doktorand ist man ja eher einen gemütlicheren Start in den Tag gewohnt so gegen 8 bis halb 9. Aber heute habe ich noch was vor, also raus aus den Federn und ab unter die Dusche. Ich packe noch einige Sachen ein, die Zeit wird langsam knapp. Der rituelle Kaffee zum Frühstück muss also ausfallen.
Mein treuer Corsa bringt mich über die fast leere A8 nach München und weiter nach Unterschleißheim, dort an einem Parkplatz warten schon einige bekannte Gesichter und auch zwei für mich neue: Franz Schütz der stellvertretende Landesausbildungsleiter und Birgit Ostertag vom Referat Ausbildung der LVB Geschäftsstelle. Nach und nach trudeln auch die restlichen Fluglehreranwärter ein und so begrüßt uns Franz schließlich zum Theorieteil des Segelfluglehrerlehrgangs 2015.

FI-Theorie_Anfahrt

Auf dem Weg nach Unterschleißheim (Beifahrerbild).

So ein bisschen überkommt mich ein Gefühl, das mich an Top Gun erinnert: Strahlend blauer Himmel, die Luft über dem Asphalt flimmert vor Hitze, der verheißungsvolle Nachwuchs des Luftsports kommt zusammen zu einem besonderen Lehrgang, um aus einer Gruppe Piloten mehr zu machen, als sie sind. Natürlich ist das Bild nicht ganz so eposal und patriotisch wie im Film, ich fühle mich weder als einer der „Besten der Besten“, das sind wohl vielmehr die Wettbewerbs und Kaderpiloten, auch ziehen wir nicht in den Krieg oder fliegen Jets. Mit dem anstehenden G7 Gipfel und der einhergehenden Luftraumbeschränkung ist viel mehr zu erwarten, dass es ab Sonntag ziemlich ruhig im Himmel über dem Großraum München wird.
Aber zurück zum Parkplatz… Franz und Birgit nehmen uns mit in unsere Bleibe für die nächsten vier Tage. Bisher fand der Lehrgang in der BLSV Sportschule Oberhaching statt, doch wegen den Verzögerungen durch die ATO Einführung war hier kurzfristig kein Platz mehr zu bekommen. Ein Obdach haben wir nun im Leistungsportzentrum Volleyball des SV Lohhof gefunden. Franz hat uns für die ersten zwei Tage ein Frühstück organisiert, Birgit hat eine Kaffeemaschine vom LVB mitgebracht. Bestens, ich kann also meinen Morgenkaffee nachholen. Mittags und abends, erklärten uns unsere Organisatoren, werden wir beim Italiener im Tennisheim des SV versorgt. Der Lehrgang selbst findet nebenan im Hotel Dolce statt, ein nobler Schuppen, zumindest das wusste ich schon darüber. Dass dort aber unter anderem auch die Spieler des FC Bayern vor den Heimspielen einquartiert sind, hätte ich dann nicht gedacht.
Zuallererst aber prüft Franz nochmal die Anwesenheit und wir wählen Günter zu unserem Anwärtervertreter. Ähnlich wie im Wettkampf ist er unser Vertreter und Ansprechpartner gegenüber dem Ausbildungsteam. Anschließend werden die Zimmer aufgeteilt, zusammen mit Jonathan (SC Lauf) und Matthias (LSV Kaufbeuren) beziehe ich Nummer 6. Nur schnell den Rucksack ablegen und das Bett beziehen, der Morgenkaffee wartet schließlich immer noch auf mich. Die anderen Anwärter frühstücken teils noch, ich hatte vorsorglich schon daheim gegessen und konzentrierte mich voll auf mein schwarzes koffeinhaltiges Gold.

FI-Theorie_Obdach

Bude Nummer 6

Kurz vor 9 Uhr geht es dann nach draußen in Richtung Dolce, denn es gilt keine Zeit zu verlieren. Die kommenden vier Tage sind voll gepresst mit Theorieunterricht von jeweils 9 Uhr morgens bis etwa 19:30. Franz eröffnet ihn mit fünf Stunden Navigation. Neu im Lehrgang nach ATO sind auch „langschriftliche Fortschrittsüberprüfungen“. Nach oder während den einzelnen Fächern erwarten uns Fragebögen mit meist 10 Fragen aus der zuvor gehörten Theorie und der im Flugtheorie-Fragenkatalog behandelten Themen. Zwar beruhigt uns Franz, dass man im Grunde nicht durchfallen könne, aber die Fortschrittsüberprüfungen würden uns später im Hauptlehrgang wieder einholen. Ich vermute, dass man später bei falschen Antworten nochmal eine „Nachbehandlung“ bekommt. Besser also gleich möglichst viel richtig beantworten. Das klappt bei mir in der Regel auch ganz gut.
Die ersten vier Stunden verfliegen im Nu und ich habe auch keine Probleme dem Unterricht zu folgen, trotz dem frühen Aufstehen. Gut evtl. bin ich da auch noch im Training, als Doktorand darf ich ja nach wie vor regelmäßig Vorträgen lauschen oder mir Stundenlang die Kopf über alle möglichen Probleme zerbrechen. Recht pünktlich um viertel nach 12 gehen wir dann mit Franz zum Italiener hinüber. Dort findet gerade reger Tennisbetrieb statt und die Terrasse ist bereits voll besetzt. Für uns sind im Heim zwei lange Tische reserviert. Abgesprochen waren wohl Pasta mit verschiedenen Soßen, aber der Wirt hat dankbarerweise ein Herz mit uns, und wir dürfen an allen Tagen zwischen verschiedenen Speisen wählen, von Salat bis Wiener Schnitzel. Puh, vier Tage lang mittags und abends Nudeln, das wäre dann auch mir zuviel gewesen.
Alle Fliegerkameraden kennen das ja, insgesamt 13 Flieger an einer Tafel, da wird natürlich fast ausschließlich über ein einziges Thema diskutiert. Bei uns kommt lediglich noch das ein oder andere über die Organisation des Lehrgang hinzu und wie die Umstellung zusammen mit den Luftämter auf ATO ablief.
Viel Zeit war leider nicht, um 13 Uhr geht es wieder weiter. Die Gruppenfluglehrer (GFL) und weitere Fachleute teilten die Fächer untereinander auf, so kommt nachmittags Landesausbildungsleiter Peter Hofmann für Betriebliche Verfahren und Menschliches Leistungsvermögen vorbei, danach beginnt LVB Justiziar und Anwalt Frank Dörner mit dem Luftrechtunterricht. Er versucht uns auf die rechtlichen Aspekte vorzubereiten, die uns als Fluglehrer betreffen. Im Endeffekt steht man (ähnlich wie ein Vorstand) bei Problemen oder Unfällen sehr schnell im  Fadenkreuz der Justiz. Man trägt die Verantwortung nicht nur für die Flugschüler, sondern sobald man am Flugbetrieb teilnimmt auch für alle anderen Piloten. Mit Einführung von SERA und EU-FCL gibt es außerdem viele sehr neue Verordnungen durch die EU, die quasi sofort für die Mitgliedsländer gelten. Hier wird natürlich gerade von uns als künftige neue Fluglehrer erwartet, dass wir dies auch unseren Schülern und Vereinskameraden vermitteln.
Abends gibt es beim Italiener wieder etwas zu beißen und die meisten von uns recherchieren neugierig was am Heimatplatz so los war. So langsam entwickeln sich die Gespräche auch um das „Fluglehrerern“. Erfahrungen bezüglich Trudelübungen und Seilrissübungen werden ausgetauscht und angeregt diskutiert. Christian, ist zwar nun beim FC Eichstätt, hat aber das Fliegen in Ostdeutschland erlernt. Er schildert uns die dort etwas militärischere Art der Ausbildung und die Eigenheiten der im Osten verbreiteten Flugzeugmuster wie Bocian und Puchacz. Mit dem konkreten Gedanken künftig ja auch maßgeblich die Flugausbildung zu gestalten wird das Thema um so interessanter und wichtiger. Wir bleiben letztlich aber auch nicht mehr all zu lange Sitzen, der Tag war lang und anstrengend, es geht noch vor 12 zurück in die Kojen.

Tag 2, 8 Uhr: Frühstück und Kaffee. Wir beginnen gleich zu planen für das morgige Frühstück. Abends wird noch kurz vor Ladenschluss eingekauft, denn es soll Rührei mit Speck geben und Benedikt (genannt Picasso, Akaflieg München) wird morgens dann noch frische Brötchen besorgen. Weiter geht es wie gewohnt um 9 Uhr, heute steht neben dem zweiten Teil Luftrecht noch Allgemeine Luftfahrzeugkunde und Grundlagen des Fliegens bei Martin Hansen auf dem Programm. Martin ist nicht nur GFL, sondern auch Professor an der FH Würzburg-Schweinfurt u. a. für Flugtechnik, die beiden Fächer sind also sein Spezialgebiet. Danach folgt direkt GFL Max Strohhammer, als Berufspilot ist er auch mit Passagiermaschinen von Airbus unterwegs und behandelt mit uns zwei Stunden das Fach Kommunikation. Das Fach selbst ist neu hinzugekommen, im Wesentlichen geht es aber um das Funksprechen. Den Tag beendet schließlich Katrin Hohmann von der Abteilung Flugmeteorologie des Deutschen Wetterdienstes. Dass es in ihrer Unterrichtsstunde um Meteorologie geht ist wohl selbsterklärend. Nachdem wir in der Vorauswahlprüfung schon einige Bereiche der Meteorologie abgedeckt hatten und sie als ehemalige Segelfliegerin  gut weiß, wo es beim Segelflieger hapert, werden wir nochmal fit gemacht in GAFOR, METAR, TAF, SIGMET, Low-Level SWC’s und so weiter. Gegen 19 Uhr endet der Lehrgangstag dann, dieses mal mussten wir aus Zeitmangel die Pausen auf das Minimum eindampfen, um so mehr freuen wir uns aufs Abendessen. In den Pausen und Abends werden auch einige Ideen geschmiedet für das Lehrgangs-T-Shirt. Picasso würde sich um das Logo kümmern, mit „ATO Versuchskaninchen“ und „Warum tust du dir das eigentlich an?“ gibt es bereits passende Ansätze.

Tag 3: Frühstück, dieses mal mit einer großen Ladung Rührei mit Speck und Käse. Ich will endlich die rustikale Musiksammlung im Gemeinschaftsraum nutzen und beginn unauffällig den Raum mit der schon eingelegten ABBA CD zu beschallen. „Kaum“ 20 Minuten – mir geht die Dauer-ABBA-Sendung schon selbst auf den Keks – überwindet sich jmd. den Radio unter Kopfschütteln aus zu drehen. Andreas (FC Eichstätt) war am Vorabend noch zu einer Geburtstagsfeier aufgebrochen, heute kommt er per „Luftfracht“ zurück nach Schleißheim, sein Vereinskollege Christian holt ihn ab. Leider hatte sich der Flug etwas in die Länge gezogen und so kommen die beiden ohne Frühstück (und ohne ABBA) direkt in den Konferenzraum ins Dolce. Matthias Weinzierl wartet schon, der GFL hat drei Stunden für Flugleistung und Flugplanung eingeplant, danach folgt nochmal Meteo bei Katrin Hohmann. Insgesamt waren das also 2,5 Tage für die komplette Flugtheorie, eine reichlich knapp Angelegenheit, aber die neue Ausbildungsvorschriften sehen nur noch 30 Stunden vor, wiedereinmal sind wir die Versuchskaninchen.

Weiter geht es mit dem zweiten Teil, der Hinführung zur Methodik und Durchführung einer Lehrprobe. GFL Hermann Walter, hatte mich ja schon bei der Vorauswahl geprüft. Er ist Hauptschullehrer im Ruhestand und kann uns dadurch an seinem reichen Erfahrungsschatz teilhaben lassen. Am Ende des Hauptlehrgangs im August werden alle Anwärter auch eine Lehrprobe halten müssen, also eine „simulierte“ Unterrichtsstunde vor Flugschülern inklusive Unterrichtsvorbereitung und -planung. In diesem Fall werden die Schüler dann durch Prüfer des Luftamtes gemimt und Vorbereitung und Durchführung entsprechend bewertet. Damit wir darauf möglichst gut Vorbereitet sind, bekommen wir von Hermann einen Crashkurs in Pädagogik, Didaktik und Methodik bis in die Abendstunden. Danach, wie immer: Essen beim Italiener. Auch Hermann ist dabei, er wird auch bei uns übernachten. Für den Abend wollen wir noch etwas Zusammensitzen und „in höchster Not“ brechen Andreas und ich mit dem guten Benz von Andrea (Stilberghof) in Richtung Tankstelle auf. Wir haben uns den besten Zeitpunkt herausgesucht, denn über Schleißheim geht die Welt unter: Gewitter, Hagel und monsunartiger Niederschlag. Aber was soll’s, „alles für den Dackel, alles für den Club“. Die Fahrt hat sich letztlich gelohnt, mit zwei kleinen Flaschen hochprozentigem, Cola und Lime entsteht ein feuchtfröhlicher, äußerst lustiger Abend. Ich fürchte nur, dass ich jetzt als „verrückter Physiker“ und Nerd entlarvt wurde …

FI-Theorie_Methodik

Gruppenübung zur Erarbeitung eines Unterrichtsplans bei Hermann Walter. Meine Gruppe (links) mit Jonathan, Günter und Picasso bastelt am Thema Stress, bei Michael, Ingo, Andrea und Matthias (hinten) geht es um Gewitter. Die Gruppe rechts mit Matthias, Andreas, Thomas und Christian bereitet das Thema Lufträume vor.

Tag 4, das letzte Morgenmahl: Wieder bringt Picasso Nachschub vom Bäcker. Wir sputen uns etwas, um gleich noch klar Schiff zu machen. Dann geht es im Dolce weiter mit der Vorbereitung zu den Lehrproben. Nach dem Mittagessen stehen 8 Stunden „Übungsleiter“ im Plan. Während dem Essen wird schon überlegt, was wir hier nun zu erwarten haben. Als Fluglehrer bekommt man damit auch den Übungsleiterschein des BLSV, soweit ist es klar. Wir fürchten Stundenlang mit den Strukturen des BLSV und DOSB zermahlen zu werden. Letztlich kommt es aber ganz anders: Janik Eggler begrüßt uns und lässt die Zeit wie im Flug vergehen. Er ist nicht nur Ausbildungsleiter beim LSV Geratshof, sondern hat sich unter anderem mit Leadership Seminaren selbstständig gemacht. Einem Thema also, das auch für Fluglehrer oder Vereinsvorstände essentiell ist. Wahrscheinlich war dieser letzte Teil im Lehrgang einer der nützlichsten für uns, denn er gibt wertvolle Tipps, auf was wir als Fluglehrer später achten müssen. Sei es der richtige Umgang mit einem Flugschüler, die Vermeidung und Lösung von Konflikten oder die neue Rolle mit der wir uns bald im Verein einfügen müssen.

Nach vier langen, aber sehr unterhaltsamen und lehrreichen Tagen endet dann der Lehrgang am Sonntag Abend. Nach dem Essen heißt es dann Servus und bis bald. Die Zeit bis zum Hauptlehrgang wird wie im Fluge vergehen fürchte ich. In der Zwischenzeit (nur um sicher zu gehen) werden wir noch die Themen zu unseren Lehrproben erhalten, denn diese müssen wir bis spätestens zum Hauptlehrgang fertig vorbereitet haben.

Danke auch nochmal an Birgit und Franz für die Organisation und allen Dozenten für ihren Einsatz. Ich freue mich schon sakrisch auf August, sobald es dann im Hauptlehrgang weiter geht.